Der Juwelier. Neuer Kommentar (via VDVC-Forum): ‚Fremdenfeindlichkeit kann auch bedeuten, dass andere Zugänge mittels Unterscheidungen wie zwischen „Hoch-“ und Populärkultur ausgegrenzt werden sollen, als Ausdruck anderer Menschen – diese unverstanden als „fremd“ Konstruierten. Schließlich begibt sich jemand der behauptet, dass Gewalt gegen Nazis schon an sich legitimiert wäre, oder Gewalt „gegen“ Personen die womöglich auch nur als „Nazis“ gelten/wahrgenommen werden, in genau dasselbe Fahrwasser einer Entmenschlichung des ungeliebten Gegenübers – Hass der wiederum mit dessen Hass zu begründen versucht wird – und auf der Strecke bleibt, so oder so, jegliches zwischenmenschlich positive Gefühl, alle Vernunft oder Brüder- und Schwesterlichkeit.
Übrig nichts anderes als eine perfide Spirale der Gewalt, ob real oder virtuell: und digitale Spiele (Games, Computer- und Videospiele) gering zu schätzen, einseitig zu betrachten, kann dort genau dazugehören.
Denn wenn es um Literatur geht wird hier hoffentlich auch niemand Neonazis wie Ernst Zündel nennen, sondern eher auf anerkannte Historiker wie Joachim Fest oder Ian Kershaw verweisen. Dennoch ist der potentiell beleidigende Bezug zu Propagandaspielen bezeichnend, er zeigt wie gering das Medium geschätzt wird – auch dann wenn es, wie hier, nicht einmal diffamiert werden soll.
Ebenso wenig hilfreich die Beschränkung auf plakativen Mainstream, Schießspiele à la „Call of Duty“ oder „Wolfenstein“: auch das vermittelt einen denkbar verkürzten, einseitigen Eindruck des Mediums. Während selbst weniger professionelle Spiele wie das russische „A Stroke of Fate“ Stauffenberg ohne die hier kritisierte Dramaturgie nüchtern im Kleid eines Spionagespiels transportieren können, und damit konfrontieren und/oder empören dass darin ein SSler gespielt wird. Ähnlich wie in „I Have No Mouth, and I Must Stream“ auch ein Verbrecher.
Was auch immer hier „Authentizität“ heißen soll: es stimmt, das „unser“ Bild über diese Zeit von den NS-„Wochenschauen“ geprägt ist, das ändert aber nichts an deren Symbolik und die damals vorherrschende Ideologie samt ihrer Ästhetik. „Realismus“ ist auch eine Ideologie.
Und selbst ein „Wolfenstein“ geht mit dem Thema facettenreicher um, als es ein billiges Wohlgefühl (Weiterleitung an Pasolini) offenbar zu vermitteln probiert – indem es etwa das Verhältnis zwischen Protofaschismus und Okkultismus behandelt. Doch kein Antifaschismus der sich selbst für nichts anderes als überlegen hält und absurder Weise noch die Überlegenheitsdünkel der anderen zu bekämpfen glaubt, wird das erkennen – nebenbei von „Trash“ ausgehend.
Während sich „Call of Duty“ mit dem Nationalsozialismus eigentlich überhaupt nicht beschäftigt, wie andere Militärspiele vielmehr Kriegssujets bedient. Es daneben auch im- und expressionistische Werke wie das deutsche „Velvet Assassin“ gab, das übrigens auf verbotene Symbole verzichten konnte und dennoch nichts ausblenden brauchte. In meiner Dissertation http://www.scribd.com/doc/204211048/Eine-Zensur-findet-nicht-statt-Jugendschutz-und-Neue-Medien berichtete ich auch von einem anderen Adventure-Prototypen aus Deutschland. Das Vorbild hier: nicht „Der Untergang“, sondern Rossellinis „Deutschland im Jahre Null“. Auch das wäre Computerspiel, selbst Computerspiel das keine Abgrenzung oder gar Segregation zu „Serious Games“ braucht – obwohl sich weiterhin gefragt werden kann weshalb es letztlich nicht erschienen ist. Vermutlich genau wegen Artikel wie diesem hier.
Das gleiche gilt für Sexfilme zum Thema – auch dort braucht keineswegs gelten, wie Stiglegger und Co. behaupten, dass der biedere, asexuelle und biologistische Nationalsozialismus unverstanden geblieben wäre, erotisiert oder als „Faszination“ sonstwie aufzuladen gesucht wird. Denn das titanische Scheitern ist dieser Sex ja gerade nicht: die Verbindung mit BDSM-Motiven im Gegenteil (auch) die alternative Möglichkeit eines Umgangs damit, eine Gegenüberstellung von Sexualität und Nationalsozialismus – keine verführende Verstärkung, genauso wie bei den Genrekonventionen im Computerspiel. Als Ausdruck von nichts anderem als Ambivalenz – genau jener Ambivalenz, die bei diesen Bestimmungen ja offensichtlich zu vermeiden gesucht wird, in dem Gewalt gegen Nazis begründet werden soll, oder nicht einmal das mehr braucht, Nicht-Gewalt vielleicht schon eine Verharmlosung darstellen würde. Oder wem soll es helfen dunkle Seiten, die vielleicht sogar in einem selbst schlummern, zu verdrängen? Was soll das bringen, ändern daran dass keine Nazis vom Mond kamen sondern aus der Mitte von Gesellschaften entsprangen, deren Denken auch eine biografische Entwicklung nahm und vielfach Ausgrenzungsgeschichten darstellt, dieselben Geschichten wie sie hier abscheulicher Weise fortgeschrieben werden sollen? Womöglich noch gar leugnend, dass sie – die alten wie die neuen – Mitmenschen waren und sind. Mitmenschen mit denen zu leben ist und deren Menschenverachtung durch keine Verachtung ihrer selbst aus der Welt geschafft werden wird – im Gegenteil: neuer Hass wie hier nur noch mehr Hass erzeugen.‘
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