Memo an Christian Schiffer: „Abendland“ ist ein rassistischer Begriff

Zum Deutschlandfunk (via VDVC-Forum): um dessen „Untergang“ (zwar des „Abendlandes“, aber demnach wohl auch eines in diese Richtung arbeitenden, bestimmten „Deutschlandfunks“ – wenn solch widerwärtige Artikel dort erscheinen dürfen) sich niemand sorgen braucht, und das heißt mit dieser Verteidigung eines Rassismus erst recht niemand recht bekommt. Stattdessen sollte sich vielmehr um einen Abbau entsprechend negativer Werturteile, um Gefühle wie Ängste und sonstige Spannungen in diese Richtung bemüht werden, eine Reduktion normativer Kunst- und Kulturbegriffe gekümmert – die immer zutiefst ausgrenzend und im Grunde auch jedes Mal dermaßen fremdenfeindlich und menschenverachtend sind. Genau dort ein Mangel an Verständnis und Humanität für ein Gegenüber, für andere Menschen – Menschlichkeit – vorhanden ist – außerhalb dieser Verachtung.

Anstatt die Existenz von „Panzerattrappen“ zu virtuellen Spielen auf einer Messe zu monieren, obwohl damit im kommerziellsten AAA-Bereich sowieso nur ein einziges Spiel (Battlefield 1) mehr gemeint sein kann – militärische und/oder polizeiliche Spiele ansonsten schon so weit zurückgedrängt wurden, könnte etwa auch über den Aktionismus gegen die Bundeswehr-Präsenz auf der Messe berichtet werden – der den (immer noch, trotz aller einebnender „Verbreiterung“) vorgeblich militarisierten Videospielen zumindest ein anderes Gesicht verleiht, zeigt wie vielfältig auch Gamer in ihrem Denken sind: ungeachtet sexistischer Vorurteile bezüglich ihres (statistisch angenommenen) Geschlechts, oder einer anderen verabscheuungswürdigen Gesinnung welche Mehrheiten so vorhalten.

Sich demonstrativ gegen eine Auseinandersetzung mit Krieg in TäterInnenrollen zu stellen sagt dabei vor allem viel über die Ignoranz eben dieser performativen Verweigerungshaltung aus. Und das ist haargenau dieselbe Ignoranz welche etwa nicht nur behauptet nicht zu spielen, sondern dies auch noch mit Stolz verkündet: denn es stimmt, wie sogar die bekannte, um Games bemühte CSU-Politikerin Dorothee Bär jüngst gemeint hat, dass es „viel kaputt“ macht, ‚wenn Politiker auf Spiele-Veranstaltungen eine Laudatio halten und sagen „Eigentlich spiele ich nicht“, als wäre das etwas Gutes.‘

Marketing-Sprech wie von wegen, dass Games in „der Mitte“ einer Gesellschaft angekommen wären fanden sich zuletzt bei SPON diesmal überraschender Weise auch kaum. Lediglich vorsichtig wird gemeint, dass die „Killerspiel“-Debatte selbst jetzt, das heißt nach dem als „Amoklauf“ titulierten, geplanten Gewaltverbrechen von München, nicht wieder an Fahrt aufgenommen hätte. Dass Täter gespielt haben wird ebenso zugestanden, wobei auch die Verbreiterung des Marktes nicht unbedingt blauäugig positiv gesehen zu werden scheint – eine Verbesserung in der Wahrnehmung des Mediums höchstens mittelfristig nur mehr in Aussicht gestellt: kurzfristig zeigt Schiffers Text beim Deutschlandfunk nun wo die Probleme in der Wahrnehmung immer noch vorhanden sind, gepaart mit dementsprechenden Forderungen, während sich langfristig vorerst ohnehin nichts geändert zu haben scheint…

Dabei könnte sich auch gefragt werden was es über eine Gesellschaft sagt, wenn Kriegsspielen jegliches kritische Potential abgesprochen wird, solange sie nicht in vermeintliche Opferrollen (wie „This War of Mine“) drängen oder irgendwelche Fahnen plakativ verkehrt herum aufhängen (à la „Spec Ops – The Line“) – sich vielleicht endlich einmal wirklich „selbstkritisch“ zu fragen was diese Bigotterie und dieses sublime Ideal einer Betroffenheit, diese beständige Anpassung an die Vorurteile einer Öffentlichkeit, über den Zustand einer „Kritik“ eigentlich aussagen: „Empathie“ im Kontext der Desensibilisierungshypothese – in Zusammenhang mit Ideen über „Abstumpfung“ und „Verrohung“ – wie eine Monstranz vor sich her zu tragen, aber dabei jegliches Verständnis für Andersdenkende trotzdem vermissen zu lassen – bei gleichzeitiger Vorstellung einer eigenen moralischen Überlegenheit. Nicht „Gewalt“ wie im strafrechtlichen Vergehen der „Gewaltdarstellung“, aber Moralismus als Selbstzweck, eben keine reflektierte Ethik an den Tag zu legen – bei aller vorhandenen staatlichen und/oder polizeilichen Gewalt auf der Welt eine „Zivilgesellschaft“ im Geiste nicht bloß waffenlos denken, sondern wehrlos fordern, womit aber perfider Weise noch jenen die damit „das Abendland“ verteidigen „recht“ gegeben werden soll. „Gewalttätig“ ist diese argumentative Struktur vielleicht weniger als jene von PEGIDA und Co., aber dafür nichtsdestotrotz  dennoch „brutal“ und „aggressiv“ – im Umgang mit Andersdenkenden, denen keine Einrichtung wie der Deutschlandfunk Platz einräumt, moralische Gewalt.

Die Logik eines Menschenbildes das Negatives als positiv gemeint auffasst. Und übrig bleibt somit auch nur eine weitere TäterInnen-Opfer-Umkehrung, denn „martialisch“ ist letztlich ebenfalls weitaus eher genau diese Programmatik gegen eine andere Diversität, die zumindest indirekt einen einseitig erhofften „Kampf der Kulturen“ führt, unter dem Deckmantel einer „Critique“ antiintellektuell Unerwünschtes zurückdrängt und eben nicht nur „in Frage“ stellt, „hinterfragt“ oder „reflektiert“ – wie in WASD und Co. so gern gönnerInnenhaft behauptet wird -, sondern auf Messen halt einfach nicht mehr sehen will, davon komplett ausschließen möchte, entfernen – eine Einstellung welche zumal umso bedrohlicher erscheint, wenn nachweislich ohnehin schon nur mehr sehr wenig davon existiert.

Dass Sätze wie jeder „schlechte Film hat in der Gesellschaft ein besseres Ansehen als ein gutes Spiel“, wie jüngst sogar eine Linda Breitlauch formuliert hat, immer noch ihre Gültigkeit haben, zeigt diese Form einer normativen, herablassenden Kulturkritik, deren kulturalistisch rassistischer Gehalt, nur allzu „gut“: bei aller schon vorhandenen Anpassung der Branche an ästhetische und/oder normative Befindlichkeiten ist dies überhaupt nicht von sich zu weisen. Der Vorwurf liegt im Gegenteil als Problem offen, die immer weitergehende, scheinbar nimmersatte Forderung brach: Emanzipation oder Inklusion ist im Gegenteil zum pseudoliberalen Duktus dabei überhaupt nicht vorgesehen, sondern Assimilation bei gleichzeitig erwünschtem Verlust der eigenen kulturellen Identität und geistigen Herkunft der Spiele, als dem was „vor zehn Jahren“ war.

Was Breitlauch am Ende mit „Ludologie“ meint, bleibt jedoch etwas unklar. Historisch ist die Ludologie, angewendet auf digitale Spiele, eine Form der Game Studies geworden – journalistisch öffentlich-breitenwirksam zu verarbeiten ist diese nur schwer, zumal dann wenn das darüber angesprochen werdende Publikum tatsächlich nicht spielt: das Problem ist auch nicht die Kulturwissenschaft an sich, trotz Figuren wie Christan Schiffer die vermeintlich in deren Namen sprechen. Selbst eine soziologische Systematik à la Luhmann wäre gar nicht mal so schlecht auf Games anzuwenden, würde ihr empirischer Positivismus als inhärentes Moment nicht wieder – gerade bei der Einschätzung von Medieninhalten wie einer Freude an Gewaltdarstellung, dem Geschmack und Empfinden gesellschaftlich potentiell unerwünschter Audiovisualisierungen – neuerlich Gefahr laufen missbraucht zu werden.

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2 Antworten zu Memo an Christian Schiffer: „Abendland“ ist ein rassistischer Begriff

  1. ruck schreibt:

    Wie in diesen Kreisen üblich, ätzt man über Diskussionsbeiträge kurz dümmlich bei Twitter und beschäftigt sich dann wieder mit sich selbst und wie geil man eigentlich ist, was leider die Trottel da draußen nicht anerkennen wollen => https://twitter.com/rainersigl/status/767780307932160000

    • pyri schreibt:

      Ich merke es nur dann, wenn der Zähler hier plötzlich ausschlägt und auf einmal viel mehr BesucherInnen da sind, aber danke für den Hinweis!
      Gestern hätte ich der Versuchung beinahe nicht widerstanden und wäre auf Twitter fast nachsehen gegangen was da los war. Dass es wenn, dann vor allem von dort kommt bin ich mir leider schon bewusst. Doch gut zu wissen, dass es wieder der Sigl gewesen ist.

      Dabei hat er mir noch geschrieben ich solle ihn ignorieren http://videogametourism.at/comment/3100#comment-3100 Warum ignoriert er mich nicht?
      Na ja, das ist dann wohl mein einziger „Troll“ http://time.com/4457110/internet-trolls/

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