Ersteindruck: Steam Deck

Nach etwa einem Monat Zeit und Dutzenden damit ausprobierten Titeln fühle ich mich erstmals soweit, meine Eindrücke vom Steam Deck mitzuteilen: zwei Aspekte vorweg, die mich im Vorfeld beschäftigten (mir ein klein wenig Sorge bereitet haben).

Erstens: Proton (Windows-Spiele über Linux) funktioniert ähnlich gut wie die mirakulöse Rückwärtskompatibilität auf der Xbox. Es unterstützt zwar (noch) kein Raytracing, fühlt sich aber auch nicht wie ein Emulator an – wenn über Foren etc. nicht eindeutig klar ist dass etwas nicht läuft sollte es zumindest ausprobiert werden. Valve hat die offizielle Kompatibilität sehr streng ausgelegt, obwohl auch da fragwürdige Beispiele existieren, aber dass etwas „nicht unterstützt“ wird heißt noch lange nicht dass es nicht läuft: „Grid 2“ zum Beispiel brachte ich relativ schnell hin, die Nicht-Unterstützung mag ebenfalls daran liegen dass es aus offenbar lizenzrechtlichen Gründen schon vor langer Zeit vom Markt genommen wurde. „Outcast 1.1“, einer meiner absoluten persönlichen Favoriten, wurde auch für „nicht unterstützt“ erklärt, ist mit Abstrichen aber dennoch (inoffiziell) spielbar: für nur die offizielle „spielbar“-Einstufung (gegenüber der höchsten „verifiziert“) reichen dabei schon vernachlässigbare Schwierigkeiten wie zu kleine Schriftarten oder dass gelegentlich die virtuelle Tastatur manuell zugeschaltet werden braucht. Sämtliche Tastenkürzel sind (über die Controller-Tasten) schnell aufrufbar und es existiert auch eine wirklich narrensichere Hilfe dafür: wer bereits Erfahrungen mit dem Steam-Controller sammeln konnte wird sich damit sowieso schnell heimisch fühlen, das Deck ist gegenüber diesem aber allein ergonomisch eine enorme Weiterentwicklung. Für meine Switch-Konsolen verwende ich seit einiger Zeit meist einen teuren Haptik-Adapter von HORI (Split Pad Pro): das Deck ist noch besser und verfügt nun, anders als der Steam Controller der diese nur simulieren konnte, über eine echte Vibrationsfunktion.

Zweitens: Big Picture (von Valve – das für Fernseher, etwa über Steam Link als In-House Streaming, Konsolen imitiert und ich nun überhaupt nicht leiden kann) kommt am Deck nicht zum Einsatz! Stattdessen wurde eine dritte Oberfläche gefunden, die automatisch startet und sich tatsächlich wie eine Konsole anfühlt. Dass man eigentlich einen PC mit Linux drauf in Händen hält kann damit sofort vergessen werden: ich kann nur empfehlen so wenig wie möglich mit dem Linux im Hintergrund zu tun zu haben. Über Knoppix sammelte ich zwar schon vor vielen Jahren Linux-Erfahrungen, aber von der Firmware bis zu sonstigen Updates wird hier alles über die Deck-Oberfläche geregelt. Und sollte stattdessen lieber der Desktop-Modus angewählt werden muss Steam darüber hinaus scheinbar sowieso neu starten: wird Linux also mental „vergessen“, steht einer Konsolenerfahrung von Valve eigentlich nichts mehr im Weg – so wie sie bei den Steam Machines zu wünschen gewesen wäre. Es bleibt zu hoffen, dass diese Partnerschaft mit AMD so erfolgreich sein wird, dass sich Valve dadurch vielleicht doch noch überlegt auch eine Proton-Box zu bauen und damit PS5 sowie Series X Konkurrenz macht – denn wie ich noch erzählen werde ist trotz aller Stärke (das Deck wird selbst dem Switch-Nachfolger vermutlich weit voraus sein) die mangelhafte Leistung die größte Einschränkung welche ich dem Gerät zuschreiben kann.

Ich verwende den Linux-Desktop nur um über mehrere Speichergeräte hinweg meine installierten Titel im Überblick zu behalten. Denn erstmals seit der PlayStation Portable steht hier Hot-Swapping von (Micro-SD-)Karten nichts mehr im Weg: Vita, DS und Switch können das ja leider alle nicht.

Wo ich schließlich schon bei einem nächsten „Mythos“ zum Gerät angelangt wäre, dass nämlich auf die teuren SSD-Versionen verzichtet werden könne und die Micro-SDs fast gleichschnell sind: wer es wie ich nicht aufschrauben möchte (meine SSD-Erfahrungen mit der PS5 letztes Jahr haben mir gereicht), aber den Inhalt der Karten ohne neuerliche Downloads variieren und Spiele verschieben will, wird um eine SSD nicht herumkommen, da das Steam Deck weder (ex)FAT noch NTFS als Dateisysteme unterstützt sondern auf einem eigenen (ext4 für Linux) basiert, das weder Mac noch Windows so einfach lesen können. Es ist gar nicht so leicht (ohne einen externen Bildschirm oder einen Adapter für eine Maus, das Deck verfügt über keinerlei Ständer) externe Dateien angenehm auf das Gerät zu bekommen, oder es überhaupt wie einen herkömmlichen PC zu bedienen (!) zumal die Trackpads eben eher wie der Steam Controller und keine Notebook-Trackpads funktionieren. Anders als bei etwa Android-basierten Geräten sind hier jegliche Dateimanager für eine externe Handhabung der SD-Karten völlig unbrauchbar – da ich kein Techniker bin kann ich leider nicht sagen, ob sich das einmal ändern könnte und es für das Deck einmal eine eigene Lösung geben wird (da diese für das Linux-Format insgesamt augenscheinlich nicht existiert gehe ich nicht davon aus). Ich habe deshalb umständlich mittels Adapter nur eine Mod installiert, jene für „Alien Isolation“ die das Alien entfernt und das Spiel so wesentlich leichter gestaltet, das hat mir schon gereicht: im Endeffekt gelang es mir ohne (potentiell teure) Tools zum Laufen zu bekommen nur über E-Mail (!). Eine Alternative wären lediglich Cloud-Dienste wie OneDrive von Microsoft. Das alles macht das Deck ironischer Weise zu einem hermetisch abgeriegelten System für mich (und damit Konsolen noch ähnlicher).

Nur die Leistung könnte halt insgesamt (noch) besser sein: obwohl ich das Deck spontan zu meinem momentan liebsten Gerät erheben möchte, so ersetzt es dennoch keine „vollwertige“ Konsole wie die Switch komplett. Das API einer Konsole kann einfach kein PC erreichen – und hier kommt eben noch ein Proton-Layer, das heißt es gibt sogar verschiedene, hinzu. Deshalb fallen Ergebnisse auch höchst unterschiedlich aus. Und manches vermeintliche Highlight für das Deck stellte sich am Ende als keines heraus.

Von „Horizon Zero Dawn“ (verifiziert) wurde ich etwa sehr enttäuscht: da die PS4-Version für PS5 mittlerweile einen 60fps-Patch erhielt werde ich diese „Handheld-Version“ zwar sozusagen „behalten“, aber selbst für 30fps auf dem Deck musste ich viele Abstriche hinnehmen. Und das obwohl „Death Stranding“, das ebenfalls auf der Decima-Engine von Guerilla Games basiert, viel besser läuft und „Horizon Zero Dawn“ am Desktop nunmehr eigentlich ziemlich genügsam ist (sowie – im Unterschied zum PS5-Nachfolger „Forbidden West“ – in hohen Auflösungen nicht nach viel aussieht). Ein Erbe der ursprünglich schlechten Portierung?

Manche ältere Titel wie „Tomb Raider“ (2013) sind auch überhaupt nicht zu empfehlen, obwohl sie angeblich „spielbar“ wären. Durch die Oberfläche kann ich von Experimenten „daneben“ grundsätzlich nur abraten – das zerstört aus meiner Sicht die komplette Erfahrung. Weiters gilt grundsätzlich: fast wichtiger als die Frage ob etwas „offiziell“ unterstützt wird ist, ob ein Titel die Steam Cloud nutzt. Ohne die Cloud kann das Spiel nämlich nur eingeschränkt verwendet werden – jedenfalls wenn das andere Dateisystem berücksichtigt werden sollte und Spiele weiterhin zusätzlich auf anderen Geräten genutzt werden möchten.

Schon im Vorfeld ging ich deshalb dazu über eine ganze Reihe älterer Titel auszuwählen und nur mehr auf das Deck als Altenteil auszulagern und bei Missgefallen dort dann überhaupt nicht mehr zu spielen (etwa weil ich sie sowieso noch für „echte“ Konsolen habe). Eine Alternative bleibt lediglich einzelne Titel sich nur für das Deck zuzulegen und sich allein damit zufrieden zu geben: ich habe das jetzt erst in einem Fall gemacht – bei „Nightmare Reaper“ das vorsichtshalber vorher noch aus dem Early Access entlassen wurde – ganz wohl fühle ich mich damit allerdings nicht, die Cloud ist dort aber auch dabei.

Ein wenig erinnert mich diese Situation an die Original Xbox: jedenfalls ohne Modding war es dort nur mit der Memory Unit möglich Spielstände von der gigantisch überdimensionierten Festplatte zu sichern, die Einheit erreicht heutzutage schwindelerregende Preise am Gebrauchtmarkt. 2020 gab mein Gerät von 2002 jedoch durch einen Stromschlag den Geist auf, musste mir deshalb Ersatz besorgen und ich hatte nur eine Einheit mit 8MB für Backups vorbereitet – vieles war für die Ewigkeit verloren.

Schlechtere Ports von Konsolen, wie etwa „Onechanbara Origin“ als ein weiterer meiner privaten Favoriten, müssen auf einem zweiten PC vorher ohnehin für das Deck erst konfiguriert werden bevor sie genutzt werden können, da sie Einstellungen für höhere Auflösungen auf das Deck mit übernehmen und dadurch dort unbrauchbar werden (1080p als bereits höhere Auflösung doch zu einem Mindeststandard geworden ist). Im Idealfall ist es nämlich so, dass die Steam Cloud wirklich nur Spielstände global verwendet.

Bleibt ein Wort zum vielgescholtenen Bildschirm: obwohl ich letztes Jahr das Glück hatte eine OLED-Switch zu ergattern – und auch sonst auf OLED schwöre – finde ich diesen (in der kleinen und mittleren Version ohne Entspiegelung) völlig in Ordnung. Die Farbpracht darauf mehr als ausreichend, nur die Helligkeit könnte für einen Nicht-OLED im Freien besser sein. Apropos Freies: ein enormes Problem stellt in diesem Frühjahr der Blütenstaub dar und die Lüftung ist auf dem Deck doch zentral, ähnlich der eines Laptops mit potenter Grafiklösung. Bleibt zu hoffen, dass der Blütenstaub keinen Schaden verursacht und Valve solche Umwelteinflüsse in das außerordentliche Design mit einbezogen hat.

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